Sprache ist etwas Schönes! Wenn Eloquenz sich in Buchstaben und Wörter spiegelt, wenn die Schönheit von Dingen in Texte gefasst werden und das Gelesene (oder Gehörte) die Fantasie anregt. Sprache kann aber auch durch Zweideutigkeit oder Geschick uns ein Lächeln bis hin zum Lachen entlocken. Wenn da nicht jene wären, die die Gabe der Kommunikation mit Füssen treten.
Ich bin (ausnahmsweise) spät in der Stadt. In meinem Bauch macht sich ein delikates Abendessen bereit verdaut zu werden. Um es den Innereien etwas zu erleichtern, beschliessen mein Kollege und ich uns noch einen „Schlummertrunk“ zu genehmigen. Wir schlendern durch die Strassen und sehen uns nach einer gemütlichen Bar um. Da es noch immer angenehm warm ist, begehren wir einen Platz im Freien. Ich gestehe an dieser Stelle, dass wir beide passionierte „Leutebeobachter“ sind. Also solche Mitmenschen, die gerne draussen oder zumindest bei der Türe sitzen. Dabei beobachten wir die Menschen, welche an uns vorbeiziehen. Die meisten sind gleich wieder vergessen, aber ein paar fallen durch lustige Kleidung, Singen, ihre Art zu diskutieren und, und, und auf. Wenn du das mit Freunden machst, ist es noch interessanter.
Wir finden nach etwa dreissig Minuten eine Bar mit Strassentischen und noch ein wenig Platz. Wer würde schon eine leere Bar vorziehen? Kaum sitzen wir steht eine junge Frau am Tisch und möchte die Bestellung aufnehmen. Ein kurzer Blick in die Karte und der Gin Tonic ist bestellt. Auf den Anstoss zu unserem Hobby brauchen wir auch nicht lange zu warten. Drei junge Frauen kommen wild schnatternd auf die Bar zu. Das Adjektiv ‚aufgebretzelt‘ wäre untertrieben. Vermutlich brauchen sie genauso lange im Bad und vor dem Kleiderschrank, wie mein Kollege und ich in der Stadt sind. Wir versuchen gemeinsam die Kleidung einzuordnen. Junggesellinnen Abschied? Diplom Feier? Da ruft eine der Herausgeputzten: „Oh Gott, ist das teuer hier!“ Ich blicke kurz zu meinem Tischgenossen und er spricht aus, was ich denke. „Schnorrerinnen…“ Ich nicke bestätigend. Für den/die Leser/in mit Unkenntnis unserer genutzten Kurzwörter sei es noch kurz erklärt. Eine Schnorrerin, in der Regel weiblich da das maskuline Geschlecht sich diese Funktion schon früh verbaut hat, ist eine Frau, die ihr Aussehen einsetzt um von der maskulinen, meist (dauernd) brunftigen und jagenden Gattung des Homo Sapiens eingeladen zu werden.
Da kommen unsere Drinks und die Aufgetakelten verlassen mangels Erfolg die Lokalität, nur um der Nachfolge Platz zu machen. Zwei Männer, der Kleidung nach Anfang zwanzig, dem Gesicht nach eher bei dreissig, setzen sich an einen freien Tisch unweit des unseren. Es müssen Stammgäste sein, denn die Kellnerin bringt gleich zwei grosse Biere ohne jemals die Bestellung aufgenommen zu haben. „Bier in einer Bar…“ murmle ich und erhalte ein zustimmendes „Mhmmm“. Damit haben sie unsere Aufmerksamkeit verdient.
Es dauert keine zwei Minuten bis wir völlig verstummen und – ohne den Kopf zu drehen – gespannt zuhören.
„Hast das gesehen? Ist geil.“ Für meinen Geschmack fehlen da ein paar Worte. Ich gebe aber den Bonus, dass Deutsch vielleicht nicht ihre Muttersprache ist.
„Kraaass!“ (Es ist ein endlos langes ‚a‘.) „Das ist voll Auto!“ Ich kann den Satz nicht interpretieren. Kann es sein, dass ‚Auto‘ ein neues Jugendwort verkörpert?
„Und Felgen, Mann.“ Der Gedanke, einen Schnellkurs in Automechanik zu belegen, schiesst mir in den Kopf. Schliesslich will ich meine Kinder verstehen.
„Aber das Chrom am Hinten. Das geht voll ab.“ Es ist wirklich ein vollständiger Satz. Gerade will ich meinem Freund einen Hinweis geben, dass es sich hier um fremdsprachige Mitbürger handeln muss, als das Telefon des einen klingelt.
„Hallo?“ … „Ah guten Abend Herr Meier (Name verallgemeinert)“ … „Ja, das Auto ist repariert … Natürlich haben wir es danach gereinigt und poliert.“… „Wie war ihre Geschäftsreise?“… „Das freut mich zu hören. Wann möchten sie den Wagen abholen? Oder sollen wir ihn zu ihnen bringen?“ … „Sie sind morgen in der Stadt? Das wäre natürlich exzellent.“ … „Danke, ihnen auch und bis morgen…“
Ich muss mich zwingen den Mund zu schliessen. Kaum hat er aufgelegt, wendet er sich an seinen Freund. „Voll rich (engl. Für reich).“
Damit müssen mein Freund und ich eine neue Kategorie definieren: die Sprachquäler.
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