Bin ich zu breit?

Im Grunde bin ich ein friedliebender Mensch. Na gut, meistens! Wie jeder von uns habe ich auch empfindliche Reizpunkte. Ich glaube von mir behaupten zu können, dass es wenige sind. Ja klar, das denkt jeder von sich. Aber zurück zum Thema.

Einer meiner empfindlichsten Auslöser für beschleunigten Puls und roten Kopf ist die – mir unbegreifliche – Eigenschaft von Menschen, immer an den engsten Stellen stehen zu bleiben. Da gehe ich eine Strasse entlang und nur dort, wo bereits Tische und Stühle mehr als die Hälfte des Gehwegs einnehmen, stehen zwei Herren ins Gespräch vertieft. Drei Schritte weiter würde es niemanden stören. Im Supermarkt stellt die nette Dame ihren Einkaufswagen genau in dem schmalen Gang ab durch den ich gerade gehen will, nicht in der breiten ‚Hauptbahn‘. Du verstehst nun, welche Situation ich meine.

Das Problem an diesen Situationen ist nun, dass ich mich darüber ärgere und zwar masslos, die Betroffenen dies aber sicher nicht als störend deklarieren würden. Ich halte mich zwar zurück, dennoch kommt es vor, dass ich Einkaufswagen umparkiere oder mich für den Ausfallschritt auf die Strasse bedanke. Ich will mich mit einer Analyse dieses Verhaltens versuchen.

Die Evolutionstheorie bietet keine befriedigende Lösung. Ich höre bereits wieder die Ausrede ‚Es ist ein Schutzverhalten aus der Zeit der Höhlenbewohner‘ in meinem Kopf. Blödsinn! Wie könnte es sein, dass der Mensch zwar vom hölzchenreibenden Feuermacher zum raumfahrenden Weltenbummler mutiert, seine Instinkte aber stehen bleiben? Das würde entweder bedeuten, dass Charles Darwin komplett falsch lag, weil damit nicht die Stärksten überlebt haben. Oder die Evolution ist ein Arschloch. Was ist das für ein Ding, das uns zwar intelligenter macht, aber unsere Urängste beibehält. Heute beobachtet die Evolution uns aus ihrem Versteck und kichert laut vor sich hin.

Ich lege mir eine andere These zurecht. Im Laufe der Entwicklung wurden die Instinkte zum Überleben verändert. Eine Laune der Natur sorgt für ein Gleichgewicht zwischen Intelligenz und Dummheit, zwischen Freude und Groll, zwischen… Ach, du weisst schon. Da aber diese Eigenschaften nicht einfach so wechseln können, bleiben die meisten von uns ein Leben lang in derselben Rolle. Diese wird dir bei der Geburt – oder gar Zeugung – auf Grund des gerade zufällig freien Platzes vergeben. Mit etwas Glück wirst du dann zwar zum ‚Nerver‘ bist aber immerhin intelligent. Das hilft dann, das Nerven ein wenig zu unterdrücken. Pech hast du, wenn bei der Vergabe nur ‚Nerver‘, ‚Dumm‘ und ‚kurzsichtiger Denker‘ frei sind. Dann stehst du immer im Weg und merkst es gar nicht.

Dieser Ansatz bietet mir zwar eine mögliche Erklärung, jedoch hilft das nur wenig. Ich kann mir erklären, weshalb die zwei Herren genau dort stehen bleiben mussten, sie stehen aber immer noch dort. Da zuckt ein Gedanke wie ein Blitz durch mein Hirn. Ich erkenne, dass meine These falsch ist. Komplett falsch! Es sind nicht die anderen, die im Weg stehen. Es liegt auch nicht daran, dass ich genau dann dort durchgehen will, wenn sie dort stehen. Es gibt nur einen Schluss der zutreffen kann: Ich bin zu breit!


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