Spielhöllenampel

Am späten Nachmittag bewege ich mich zu Fuss durch die Stadt in Richtung Bahnhof. Es kann sehr interessant sein, in die endlosen Ströme von Menschen abzutauchen. Hier ein Gesprächsfetzen, da lustige Gestalten…

So geniesse ich die Eindrücke und lasse mich zu meinem Ziel treiben. Hin und wieder muss ich dabei eine Strasse überqueren. Verschiedentlich habe ich schon unsere Freunde und Helfer dabei beobachtet, wie sie Fussgänger gemahnt oder gar gebüsst haben, sollten diese bei Rot die Strasse überqueren. Dies ist der Grund, weshalb ich immer brav den Drücker betätige und auf das grüne Männchen warte. So auch an dieser Strasse. Klack, kurz auf den Knopf gedrückt und warten. Da höre ich ein Geräusch, das mich unweigerlich an meine Jugendzeit erinnert.

Zu dieser Zeit waren Spielhöllen sehr aktuell. Es gab da Flipperautomaten und Videospiele mit eingebauten Röhrenmonitoren. Ja, das ist schon ein Weilchen her. Bei den Videospielen gab es zwei, welche den Bedienknöpfen wie auch dem Spieler viel abverlangten. Deren Namen sind so simpel wie das Spielprinzip: Summer Games und Winter Games. Das einzige Ziel liegt darin, in verschiedenen olympischen Disziplinen so gut wie möglich zu sein. So gibt es Langlaufen, Eislaufen, Hürdenlauf usw. Je schneller der Spieler einen bestimmten Knopf hintereinander drücken kann, desto schneller ist die Spielfigur. Dies hat einige Kreative zu ungewöhnlichen Techniken veranlasst. Der Einsatz von Elektrorasierer ist jedoch aus eigener Erfahrung nicht zu empfehlen, da diese Geräte unnatürlich schnell sind. Gerade höre ich wieder dieses hektische aber dennoch rhythmische Klack, Klack, Klack.

Die Bilder vor meinem inneren Auge verblassen und mir wird wieder bewusst, wo ich gerade bin. Rings um mich werden Smartphones und iPods durch die Gegend getragen. Nur das Klacken dringt unbeirrt an meinen Ohren. Ich wage es, meinen Kopf in die Richtung zu drehen, wo das Geräusch her kommt. Erwartungsgemäss müsste nun ein jüngerer Mitmensch wie wild auf den Ampelknopf drücken. Ich lächle wissend und drehe den Kopf etwas weiter. Was ich da sehe, lässt das Lächeln zu einem erstaunten Gesicht wandeln. Eine ältere Dame – irgendwo zwischen meiner Mutter und meiner Grossmutter – steht da und martert die arme Steuerung.

Es ist nun aber kein Geheimnis, dass vermehrtes Drücken des Anforderungsknopfes rein gar nichts bringt. Die Steuerung hat bereits beim ersten Drücken verstanden, dass der Strassenverkehr zu Gunsten der Fussgängerüberquerung angehalten werden soll. Wäre ich Programmierer solcher Steuerungen, würde ich mit jedem Drücken die Wartezeit um einige Sekunden erhöhen. Ich frage mich, wie viele auch so denken und ob es einer davon zum Programmierer von Ampelsystemen geschafft hat? Auf den kurzen Moment der Schadenfreude mischt sich das Gefühl der Angst an genauso einer Ampel zu stehen ein. Doch ich habe Glück, denn die Fussgänger erhalten grünes Licht.

Die Dame lässt sichtlich zufrieden von dem Knopf ab und begibt sich auf den Fussgängerstreifen. Mit einem inneren Ruck versetze auch ich mich in Bewegung. Ich schlängle mich zu der Dame vor und raune ihr im Vorbeigehen zu: „Gratuliere, sie haben meinen Highscore geschlagen…“ Damit verschwinde ich wieder im Strom der Menschen.


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