Komisch! Dieser Abend ist schneller angekommen als andere. Nach einem gehetzten ganzen Tag freue ich mich auf eine ruhige Zugfahrt. Einfach mal abschalten… oder so.
Ja du lieber Leser weisst, dass es nicht so kommen darf. Ich habe schon viele komische Gestalten gesehen und einige hirnverbrannte Gespräche belauschen dürfen. Doch jedes Mal wenn du denkst ‚Schlimmer geht’s nicht‘, wirst du eines besseren belehrt. Warum nicht gleich jetzt?
Schon höre ich quatschende Menschen und ein paar Sekunden später geht eine Gruppe bestehend aus einer Frau und drei Männern an mir vorbei. Zwei Reihen weiter setzen sie sich und debattieren weiter. Da ich meine Ruhe so nicht habe, muss ich wohl dem Gespräch etwas folgen. Die Vier kommen von irgend einem Ausflug in irgendein Museum zurück. Ich gähne gleich. Dann ein Satz, der meine Aufmerksamkeit weckt. „Mit so vielen Kindern erlebst du ja einiges.“
Grossfamilie? Kommune? Ach nein, Lehrer! Keine Angst lieber Leser, solltest du dieser Berufsgattung angehören. Ich habe grosse Achtung vor euch. Mein Nervenkostüm würde diese Ansammlung von kindlichem Wahnsinn keine Stunde durchstehen. Aber zurück zu diesen vier Lehrpersonen (um das politisch korrekte Wort zu verwenden).
Schon wenige Sätze des Gesprächs später weiss ich, dass ihre Schüler in der Oberstufe sind. Halbwüchsige und pubertierende Teenager! Mein Respekt steigt. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass diese Altersklasse fähig ist, dich in Sekunden auf die höchste Palme zu bringen, nur um danach zu fragen, warum du ausflippst. Doch das Problem dieser Vier ist anderer Natur. Es geht vielmehr um die Art und Weise, wie die kleinen kommunizieren. Die kurzen – und meist unvollständigen – Sätze, die falsche Betonung oder gar der falsche Fall. Ich denke gerade daran, ihnen meinen Artikel Quo vadis Sprache zu empfehlen. Dies hätte jedoch ein Ende des Themas bedeutet, was ich nicht verantworten kann.
Wie immer in solchen Gruppendiskussionen ergreift ein Beteiligter plötzlich das Zepter. Er – und natürlich ist es ein Mann – versucht die Führung des Gesprächs zu übernehmen. Logisch muss dies mit einem längeren Monolog eingeleitet werden. So macht es auch dieser Herr und in guter rhetorischer Manier beginnt er mit Äusserungen, deren Inhalt alle unterstützen. Es folgt das typische „oder nicht?“ oder „ist doch so?“. Die Bestätigung seiner Aussagen und somit auch seine Rolle als Alphatier wird ihm umgehend von der Gruppe gegeben.
Mit diesem Erfolg im Gepäck wendet er sich nun seinem Problem zu. „Wir haben früher noch klar miteinander gesprochen. Uns verabredet und dann miteinander gesprochen. Heute wird alles nur kurzfristig mit diesem elektronischen Geräten gemacht.“ Aha, denke ich mir. Vermutlich hat er das neuste Smartphone in der Tasche…
„Dafür diskutieren die jeden Scheiss über diese Dinger. Wenn ich in der Whatsapp Gruppe eine Info sende, bricht immer eine Diskussion los.“ Whatsapp Gruppe mit den Schülern… Bei dem Vorgespräche fällt mir spontan ‚kenne deinen Feind ein‘. Doch er rennt dann gleich in die Richtung ‚manipuliere deinen Feind‘.
„Es sollte ein Whatsapp geben, bei dem die Schüler nur lesen dürfen und gar nichts schreiben können.“ ‚Diktatorische Klassenführung‘ wäre ein geeigneter Name für diese App. Es wird mir klar, dass die Sichtweisen der Gruppe dieses Thema betreffend fast so kurzsichtig sind, wie die ihrer Schützlinge. Nun habe ich genug mitgehört und beschliesse die letzten Minuten meiner Fahrt stehend beim Ausgang zu verbringen. Natürlich gehe ich zu der weiter entfernten Türe, damit ich die Gruppe noch passieren kann. Bei der Gruppe halte ich kurz und eröffne ihnen: „Wisst ihr, was das Problem ist?“ Ohne die Antwort abzuwarten fahre ich fort. „Die Summe der Intelligenz ist konstant, die Bevölkerung wächst!“ Damit lasse ich die vier aktivierten Gehirne allein und schlendere zur Tür.
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