Ja lieber Leser, ich bin wieder da. Es ist eine Weile her, doch nun geht das sarkastische Geblogge weiter. Es würde mich auch freuen, wenn ihr mal Kommentare zu meinen Beiträgen hinterlässt. Oder liest das hier keiner?
Noch immer bin ich öfters mit dem Zug unterwegs. Dabei erzählt das Leben Geschichten, die kaum ein Autor sich ausdenken kann. Ja liebe Scripted Reality Schreiber, ihr liegt falsch!
Da Sitze ich in einem Zug, der sich langsam mehr als nur einfach füllt. Neben mir ist noch ein Sitz frei wie auch bei der Sitzgruppe auf der anderen Seite des Durchgangs. Da kommt ein junges Paar mit einem Kleinkind und fragt, ob die Sitze noch frei sind. Ich bin ja gutmütig und erwähne weder den Spezialwagen mit Spielplatz weiter vorne noch, dass ich nicht für die andere Sitzgruppe sprechen kann. Mit meinem gütigsten Blick – ich glaube, der sieht nicht so gütig aus – nicke ich. Die Frau setzt sich mit dem Kind, das vielleicht gerade mal ein Jahr alt ist wenn überhaupt, neben mich. Ich bin ja irgendwie Kinderlieb, aber nach der Arbeit? Immerhin weint das Kleine nicht. Bevor das los geht, schnell noch Musik auf die Ohren. Leider lässt sich das Balg damit nicht ausblenden. Es macht auf sich ganz anders aufmerksam, mit seinen Füssen. Unablässig klopfen seine Schuhe (Grösse 1 oder so) an mein Bein. Selbst ein blitzespeiender Blick meinerseits beeindruckt es nicht. Der Mutter ist es egal. Das Kind ist ruhig und sie kann sich mit ihrem Mann unterhalten. Ich drehe die Musik leiser und stelle fest, dass die beiden Französisch sprechen. Nicht gerade meine Sprache, wie ich wieder feststellen muss.
In meinen Gedanken läuft die Lösungssuche für das Kickerproblem. Soll ich ihm die Schuhe ausziehen und an sein Beinchen klopfen? Ihm die Geste zeigen, wie ich mit einem Finger den Hals durchtrenne? Wie ein Hund anbellen? Mein Hirn scheint alle vernünftigen Lösungen für heute bereits verbraucht zu haben. Gerade als ich die Chance abwäge, bei der anrollenden Minibar ein Klebeband kaufen zu können, bemerkt die Mutter den Sportakt des Kindes. Sie sagt etwas zu ihm und es hört auf. Mein Gesicht sagt ihr in diesem Moment „endlich“ und nicht „danke“. Dass ich den Satz der Mutter nicht verstanden habe, schiebe ich auf die mir fremde Sprache.
Das Kind dreht mir den Rücken zu und macht typische Babylaute zu der Mutter. Bis hier bleibt alles normal, doch die Mutter reagiert auf diese Laute. Nicht mit einem Satz, zumindest nicht auf Französisch. „Awäuablabla“ oder so ähnlich. Ich schreibe diesen Nonsens meiner Müdigkeit, dem musikalischen Hintergrund in meinen Ohren und der Sprache der Mutter zu. Also mache ich die Musik ganz aus und atme einige Male tief durch.
Wieder etwas wacher und ohne Störgeräusche konzentriere ich mich auf die Kommunikation der Mutter mit ihrem Kind. Das Kleine redet in Babysprache und macht nach seinem „Satz“ eine Pause, worauf die Mutter auch in Babysprache antwortet. Gut das habe ich auch schon gesehen, wenn Grosseltern auf ihre Enkel im Säuglingsalter einreden. Dabei werden immer zwei Ziele verfolgt. Erstens soll das Kind die Person wahrnehmen und zweitens soll es zum Lachen gebracht werden. Doch dieses „Gespräch“ neben mir verfolgt andere Ziele. Welche entzieht sich mir gänzlich, da ich dieser Babysprache seit vielen Jahren nicht mehr mächtig bin. Mit jeder Minute muss ich jedoch feststellen, dass die Mutter ihr Kind nicht nur versteht, sie kommuniziert tatsächlich mit ihm.
Da ich keine Lust auf einen Crashkurs in postnataler Erstlingssprache habe, wende ich mich ab um noch etwas die Augen zu schliessen. Just in diesem Moment ist das Gespräch neben mir beendet. Mit der leisen Hoffnung zu verstehen, worum es in dem Dialog ging, blicke ich doch wieder zu den beiden hin. Das Kleine hält ein Smartphone in der Hand. Ruft es nun seine Krabbelgruppenfreunde an? Nein, es bedient ein Spiel, bei dem Ballone mit dem Finger zerplatzt werden müssen. Es spielt mit einer Routine, die nur den Schluss zulässt, dass es schon einige Zeit mit Smartphones umgeht. Schöne neue Welt! Wahrscheinlich halten die beiden ihr Kleines dadurch für hochintelligent.
Die Mutter unterhält sich wieder auf Französisch mit dem Vater, natürlich mit kurzen Babysprachepisoden zu ihrem Sprössling. Die ganze Situation bleibt mir so unverständlich, wie eine Reality Soap. Dankbar realisiere ich, dass meine Station kommt. Gemütlich stehe ich auf, ziehe meine Jacke an und räuspere mich laut. Als die Frau mich ansieht, lecke ich über meine Hand, streife diese dann von hinten über mein Ohr. Ihr Blick wird fragend, was mich zum grinsen bringt. Mit einem lauten „Miiiaaauuuuu“ verabschiede ich mich von der Familie, welche nun zum ersten Mal auf der Fahrt ganz ruhig ist.
Schreibe einen Kommentar