Swinglish Miss-used

Manchmal bewege ich mich ausserhalb von Zügen. Nein, eigentlich mehr als in den rollenden Eisenkolossen. Die Möglichkeit etwas der amüsanten Zwerchfellstrapazen zu erhalten ist bei Bahnfahrten natürlich höher, doch heute erlebe ich es beim Einkaufen.

Die Massen der Konsumsüchtigen zu beobachten macht auch Spass und mein Hobby kommt dabei voll auf seine Kosten. Es ist faszinierend, wie gewisse Individuen sich benehmen. Da ist der Abfallsünder, der seinen Müll einfach mal in Richtung Tonne wirft und vor dem Aufprall sich abwendet und davon geht. Sonst hätte er gesehen, dass er den Behälter um fast einen Meter verfehlt. Dort ist die typische Raucherin, die ihre Zigarette zwar in den Aschenbecher abklopft, aber den Filter mit den Fingern auf den Parkplatz schnippt.

Da zieht bereits die glückliche Familie an mir vorbei. Die Mutter betet mit energischer Stimme den Einkaufszettel herunter – der Unterton verrät, dass auch nichts mehr auf den Zettel kommt –, einen Schritt dahinter säuselt der Vater ein „klar Schatz“ mit einem Augenrollen. Der Sohnemann zieht seiner kleinen Schwester an den Haaren, was ihr neben den Schmerzen (und dem damit verbundenen Geheul) ein „Jetzt halt endlich das Maul!“ der Mutter einbringt. Das einzige zufriedene Gesicht ist das des Söhnchens.

Ich bin schon fast dabei, der Familie zu folgen, doch das erneute Heulen der Tochter verbunden mit dem kreischenden Blaffen der Mutter erinnert mich, dass ich meine Gehörschutzpropfen nicht dabei habe. So lasse ich davon ab und gönne mir einen Schluck des mittelmässigen Kaffees. Schon ist ein Parkplatzrowdy da. Der Gute stellt sein Auto so perfekt auf zwei Parkfelder, dass die Parkfeldlinie exakt unter dem Schalthebel liegt. Ein vorbeigehender Mann mein mit einem Lächeln „So kann man es auch machen“. Das ist nach dem Stress der perfekten Spurtreue zu viel für den Doppelbeleger. Er holt tief Luft und schnauzt den Spassvogel in einer Tour an. Begriffe wie Volltrottel sind dabei noch von der netten Sorte. Ich versuche mir die Beleidigungen zu merken, egal ob ich sie mal zu Protokoll bringen muss oder wenigstens in Texten verwenden kann. Der junge Mann schaut erst verblüfft, schüttelt den Kopf und geht weiter. Innerlich kämpft der kleine Teufel (lass sie weiter streiten) gegen einen kleinen Engel (gut reagiert, keine Eskalation zugelassen).

Gerade überlege ich mir, meine Einkäufe doch endlich nach Hause zu bringen, da höre ich Fetzen in englischer Sprache. Ich hätte mit fast jeder Sprache hier gerechnet, aber nicht mit Englisch. Obwohl mein Becher leer ist, mime ich einen Schluck zu nehmen und konzentriere mich auf die Stimme. Noch drehe ich mich nicht um, das wäre zu auffällig. Die Stimme muss eine jüngeren Frau gehören. Zwischen den einzelnen Wörtern, eher in Amerikanisch denn Englisch, werden die Sätze in Schweizerdeutsch ergänzt. Swinglisch! Nahezu die schlimmste Form der Sprachquäler. So lange die Anglizismen wenigstens korrekt angewendet werden, kann ich damit einigermassen umgehen. Obwohl ein Meeting zu schedlen einfach nur Scheisse klingt. Ab und zu gibt eine ältere Stimme eine Antwort auf die Sätze, ohne Englisch. Diese Stimme klingt jedoch weit weg, oder klingt die junge Dame einfach nur nah? Ich kann nicht mehr widerstehen und riskiere einen Blick. Die Gruppe – Mutter, Vater und erwachsene Tochter – ist rund fünf Meter weg. Der Vater schweigt, wahrscheinlich weil er nichts versteht. Die Tochter redet getreu nach dem Motto: Wer nichts zu sagen hat, muss sich mit der Lautstärke Gehör verschaffen. Wer will schon Sätze wie „Die haben Food, das ist healthier“ hören? Falls du den Fehler nicht gefunden hast, schau dir das Komma an. Es ist gesünder als was? Da fehlt ein Teil, Kleines.

Letztendlich schiesst die Kleine – die zwar grösser ist als die Eltern, dank Absatzschuhen – den Vogel vollends ab. Die Mutter sagt, sie wolle noch in den Müller (so heisst eine Ladenkette), was die Tochter begeistert. Ungehalten verkündet sie „Ja gehen wir in Müller (‚den‘ vergessen?), der ist nicer!“ Nicer? Sind die da wirklich so nett? Vor allem netter als wer?

Die Gruppe setzt sich direkt in meine Richtung in Bewegung. Auf meiner Höhe angelangt, blicke ich der Tochter in die Augen und raune „Sorry, you miss…used Swinglish“ Die doppelte Bedeutung scheint nur der Vater zu verstehen. Er lächelt kurz und schiebt die beiden Frauen weiter zum Laden.


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